Favoriten, Hors du temps, Langue étrangère – drei erste Highlights

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Die Berlinale ist in vollem Gange, ein Film jagt den nächsten und auf das große Meisterwerk warte ich noch, fraglich, ob es überhaupt kommen wird. Nichtsdestotrotz habe ich natürlich schon viel Gutes gesehen.

Favoriten Poster in der Stadt
Favoriten

Einer meiner bisherigen Favoriten ist Favoriten von Ruth Beckermann. In gewisser Weise war das auch erwartbar, aber dennoch war ich überrascht, welchen Ton Beckermann hier anschlägt. In ihrem neuen Film begleitet die Regisseurin über drei Jahre lang eine Grundschul- oder Volksschulklasse, wie man in Österreich noch sagt, im Wiener Bezirk Favoriten. Die Klasse ist divers zusammengestellt. Jedes Kind hat einen Migrationshintergrund. Früh im Film erfahren wir, wie knapp das Personal der Schule ist; Sozialarbeiter*innen kürzen ihre Stunden und die Klassenlehrerin Ilkay Ildiskut betreut die Klasse rund um die Uhr alleine. Ruth Beckermann hält sich in bester Direct Cinema Manier zurück und lässt hauptsächlich die Bilder sprechen. Was mich dabei überraschte, ist, wie unterhaltsam der Film ist. Ruth Beckermann hätte hier sehr einfach einen schweren Problemfilm drehen können, aber stattdessen stellt sie den Alltag der Klasse in den Vordergrund. Und die Interaktionen zwischen den Kindern sind sehr oft einfach unfreiwillig komisch. Die Stimmung im Saal war ausgelassen, ich habe sehr viel gelacht. Gleichzeitig verliert Beckermann natürlich nicht den Blick auf die Probleme, die sich in dieser Schule auch auftun. Das wird dann am Ende plötzlich besonders deutlich, wenn die Lehrerin in Elternzeit geht und kein Ersatz in Sicht ist. Hier wird dann auf ganz bittere Art und Weise sichtbar, wie fragil dieses unterfinanzierte Schulsystem ist und wie sehr es von sich im Endeffekt selbst ausbeutenden Kräften wie der Klassenlehrerin abhängig ist. Der Film schafft so einen interessanten Spagat. Er räumt durch seine Leichtigkeit Vorurteile aus dem Weg, die man möglicherweise gegenüber Schulen in angeblichen „Problembezirken“ hat und klagt gleichzeitig an. Denn das Problem sind nicht die Menschen, es ist das System, das ihnen Steine in den Weg legt.

Hors du temps

Für einen anderen Film muss ich hier ein wenig die Ehrenrettung antreten. Hors du Temps von Olivier Assayas kommt nicht gut an bei der Kritik. Zu unrecht, wie ich finde! Ich habe vor allem gelesen, dass der Film nichts zu erzählen habe, gar langweilig sei und noch dazu aus einer privilegierten Position kommt. Warum sollte man sich das also anschauen? Weil der Film ehrlich ist und Assayas seine Privilegien nicht versteckt und auch nicht entschuldigt. Hors du Temps ist ein Film, der das Gefühl einer Zeit einzufangen versucht. Die Zeit des ersten Corona Lockdowns 2020 als alles noch auf eine Art aufregend war und die Zeit wirklich still zu stehen schien. Assayas geht dabei sehr selbstreferenziell vor. Die Hauptfigur, super gespielt von Vincent Macaigne, ist praktisch Assayas selbst, auch wenn er sich ein paar Jahre jünger gemacht hat. Ein Filmemacher, der dem lockdown im Haus seiner Eltern auf dem Land verbringt zusammen mit seiner Freundin und seinem Bruder und dessen Frau. Letztendlich bekommen wir kleine Streitigkeiten zu sehen. Leute, die sich mit ihren Eigenheiten auf den Sack gehen, Diskussionen übers bestellen bei Amazon oder das Maske tragen beim Bäcker. Das ist alles auch sehr selbstironisch und dadurch auch überhaupt nicht langweilig. Die Leichtigkeit und das Setting, die wunderbaren grünen Bilder des Frühlings erinnern ein wenig an Rohmer. Ein anderer filmischer Referenzpunkt ist für mich ganz klar das selbstreferenzielle Kino von Nanni Moretti, dem ich auch oft was abgewinnen kann. So sollte klar sein, dass mir dieser Film natürlich auch gefällt. Zwischendrin platziert Assayas immernoch essayistischere Abschnitte, in denen er in einem Voice Over über das Haus der Eltern, das Kino und die Zeit an sich spricht. Das gibt dem Film nochmal eine weitere Ebene und macht ihn für mich auch interessanter. Wie gesagt, Assayas will hier nicht viel erzählen. Es geht eher darum ein Gefühl einzufangen und das gelingt ihm sehr gut. Einzig den Schluss verhaut er. Das perfekte Schlussbild steht schon und dann setzt er nochmal so einen blöden Epilog drauf. Das musste nicht sein.

Langue étrangère

Zuletzt muss ich noch einen Film gegen erwartbare Kritik verteidigen. Langue étrangère von Claire Burger erzählt unheimlich viel auf einmal. So sehr, dass es vielen kritischen Stimmen zu viel Themen aufmacht und nichts davon so wirklich zu bekommt. Und ja, Burger reißt extrem viel an: es geht um die AFD in Sachsen, um Aktivismus, Familienprobleme aller Art, um die Demos in Frankreich, um Deutschland und Frankreich, zwanghaftes Lügen, die Antifa, Mobbing in der Schule und natürlich um Liebe. Das ist sehr viel und über jeden einzelnen Aspekt davon könnte man einen eigenen Film drehen. Ich würde aber auch sagen, dass es gar nicht Burgers Ziel war, einen tiefen Einblick in all diese Aspekte zu geben sondern eher einen Eindruck der Gegenwart zu erzeugen, in der sich die beiden Hauptfiguren bewegen müssen. Diese Gegenwart ist nunmal zu viel auf einmal und junge Menschen müssen mit all dem umgehen können. Manchmal wirkt der Film ein wenig ungelenk dabei, das kann man ihm durchaus vorwerfen. Aber im Endeffekt erzählt er eine wirklich schöne Liebesgeschichte zwischen zwei jungen Frauen, die auch wunderbar gespielt werden. Die romantischen Szenen zwischen den beiden sind das beste am Film und das Ende dann einfach großartig. Das lässt mich viele Makel vergessen. Außerdem ist dieser französische Blick von außen auf Deutschland hochinteressant und die Parallelen, die der Film zieht sehr relevant. Wenn man bedenkt, wie intensiv im Vorfeld des Festivals über den Umgang mit der AFD gestritten wurde, hätte man doch nur auf diesen Wettbewerbsfilm verweisen müssen, der die Gegenwart so gut beobachtet wie kaum ein anderer.

Eine Antwort zu „Favoriten, Hors du temps, Langue étrangère – drei erste Highlights”.

  1. Avatar von irianapotts91

    nices!! Godzilla x Kong: The New Empire – Essentielles Amerikanisches Blockbusterkino

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