Drachenzähmen leicht gemacht: Liebevolle Bankrotterklärung

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Nur drei Wochen nach dem Kinostart von Lilo & Stitch (2025) erscheint das nächste „Live-Action“-Remake eines Animationsklassikers, Drachenzähmen leicht gemacht (2025). Frei nach Disneys Ansatz entschließt sich also nun auch der Rivale Dreamworks dazu, die eigenen animierten Klassiker neu herauszubringen, nur dass bei dieser Version nicht vollständig alle Teile des Films animiert sind, und alle anderen (weiterhin animierten) Bildkomponenten nun einen fotorealistischeren Anspruch haben. Dean DeBlois, Regisseur des Originals, kehrt für die Neuverfilmung zurück um ihr neues Leben einzuhauchen, jedoch muss dieser Film zwiespältig aufgenommen werden.

Drachenzähmen leicht gemacht (2010) ist ein wunderbar geschriebener und für jede Altersklasse unterhaltsamer Film, deshalb ist es Drachenzähmen leicht gemacht (2025) prinzipiell auch, vor allem weil er sich dazu verschrieben hat, sklavisch der Vorlage treu zu bleiben. DeBlois reiht sich mit diesem Remake in eine lange Tradition von Filmemachern, die ihren eigenen Film neu verfilmt haben: Alfred Hitchcock mit The Man Who Knew Too Much (1934 & 1956), oder Cecil B. DeMille mit The Ten Commandments (1923 & 1956). Der direkteste Vergleich muss aber Funny Games (1997) und Funny Games (2007) von Michael Haneke sein, denn genau wie diese zwei Filme gleichen sich Drachenzähmen leicht gemacht und Drachenzähmen leicht gemacht wie ein Ei dem anderen, nur das ein Ei animiert ist und das andere abgefilmt. Teils ist es ein Shot-für -Shot Remake, teils weicht der Film vom Original ab und setzt eine leicht andere Farbgebung ein. Jedoch ist das hier, im großen Ganzen, der identische Film. Spannend ist zu beobachten, dass weder DeBlois noch Haneke der Überzeugung schienen, dass ihre Filme jeglicher Verbesserung bedarfen und sie quasi unverändert neu veröffentlicht werden sollten. Dass es bei beiden Filmen nicht ein Rerelease sondern eine Neuaufnahme (in der Musik würde man vielleicht am ehesten von einem „Rerecording“ sprechen) handelt, muss diskutiert werden, dazu aber später ein paar Worte mehr.

Hicks und Ohnezahn. © 2025 Universal Studios.

Dass beide Drachenzähmen-Filme so gleich sind, hat einerseits den Vorteil, dass die ganzen herausragende Qualitäten des Originals bestehen bleiben, mit Ausnahme der exzellenten Animation. Das Drehbuch für das Original ist ein absolutes Paradebeispiel für eine sauber und klar erzählte Außenseiter-Geschichte, und die emotionalen Höhen und Tiefen der Geschichte bleiben in der Neuverfilmung exakt so bestehen. Vielleicht ist die Verhandlung alternativer Formen von Männlichkeiten und die Botschaft kultureller Annäherung heute noch relevanter, als vor 15 Jahren, jedoch sind diese Themen im Original bereits vorhanden und werden vom Remake nicht umformuliert oder neu gewichtet. Auch das Timing und die Intensität der Story-Beats (ob komisch oder tragisch) ist quasi identisch, es werden absolut keine Abstriche bei der größeren Erzählstruktur oder einzelnen Szenen gemacht. (Interessant ist hieran, dass der neue Film fast 30 Minuten länger ist, das spürt man zu keiner einzigen Stelle, das Tempo bleibt wie im Original beständig und stets mitreißend) Besonders John Powells neu aufgenommener Score (Hier ein tatsächliches Rerecording) glänzt in all seiner Pracht und unterstützt das Narrativ mit vollem Gewicht. Die einzigen Veränderungen zum ersten Film sind rein visuell, würde man die Augen schließen, wüsste man fast nicht, welche Version des Films liefe.

Das einzige, was die Neuverfilmung komplett neu machen muss, ist eine Auswahl and real existierenden Menschen zu treffen, die ihre animierten Vorbilder verkörpern sollen. Diese Darsteller:innen sind alle adäquat besetzt, ein Highlight ist aber ganz klar Gerard Butler, der Hicks‘ Vater und den Stammesführer des Wikingervolkes mit imposanter Präsenz spielt. Er wirkt in seiner Gestik und Artikulation wie aus dem 2010er Film herausgegriffen, seine Bewegungen sind überzeichnet und groß, sein Kostüm bullig und massiv, der große falsche Rauschebart und der urige Helm unterstreichen das comic-hafte seiner Figur. Im Gegenzug dazu ist Nico Parker, die Astrid verkörpert, relativ steif und monoton, ihre Mimik vermittelt in den meisten Szenen relativ wenig und Astrid als Figur wirkt flacher und weniger essentiell im größeren Rahmen der Geschichte. Es bleibt zu hoffen, dass sie sich in der bereits angekündigten Neuverflimung des zweiten Teils besser macht. Im Gröbsten gelingt es den Schauspieler:innen jedoch, ihre animierten Vorgänger:innen überzeugend lebendig wirken zu lassen und ihnen Expressivität und Charakter zu verleihen. Auf allen anderen bildlichen Ebenen folgt die Realverfilmung dem Kredo, dass alles genau wie im anderen Film aussehen muss, nur eben „realistisch“, sofern das bei Drachen und Wikingern möglich sein soll. Dass das bedeutet, dass die Drachen nicht echt sind und massenhaft visuelle Effekte das Bild ausschmücken, sollte klar sein.

Gerard Butler als Haudrauf der Stoische. © 2025 Universal Studios.

Gegeben der schwindend geringen Unterschiede zwischen dem 2010er Original und dem 2025er Remake sollte offensichtlich sein, dass dieser Film keine Daseinsberechtigung besitzt. Der Film hat keine eigene Identität, er bleibt gebunden an das Original, das er makellos in einen anderen Stil transposieren will. Dass Dean DeBlois seinen Film für so gut gealtert hält, dass er nichts nennenswertes hinzuzufügen oder rauszuschneiden hat, zeugt von der Stärke des ersten Films, jedoch aber auch von der Angst, Risiken einzugehen. Mehr als ein Remake ist Drachenzähmen leicht gemacht ein Rerelease, eine alternative Version, die dem anderen in nichts nachsteht. Hätten wir diese Version des Films vermisst, bevor es sie gab? Sicher nicht, nein. Ist es ein sehr schön erzählter und unterhaltsamer Film, der sein Publikum vollständig zufriedenstellen wird? Ganz bestimmt. Jedoch fühlt es sich an, wie auf der Stelle zu treten. Die einzige Daseinsberechtigung für dieses Rerelease ist Profit, und Drachenzähmen als etablierte Franchise wurde von Dreamworks auserkoren, um diesen Profit zu erzielen. Das macht den Film nicht weniger liebevoll oder sehenswert, es fügt dem Projekt aber eine zynische Note hinzu. Es ist bezeichnend für die aktuelle Kinolandschaft eine kreative Bankrotterklärung, doch diese sind von den großen Studios im Moment täglich in den Kinos und auf den Streamingdiensten zu finden. In dieser Hinsicht ist das Drachenzähmen-Remake einerseits ein Symptom der immer zunehmenden Einfallslosigkeit in Hollywood, die gepaart mit der Geldgier der Studios nichts anderes weiß, als alles was alt ist, neu herauszubringen, andererseits ist der Film an und für sich immer noch wirklich eine Perle.

Eine Antwort zu „Drachenzähmen leicht gemacht: Liebevolle Bankrotterklärung”.

  1. Avatar von j.aboukaram@gmx.de
    j.aboukaram@gmx.de

    Hi Marc!Harte Kritik an die Geldgeber aber es stimmt schon. Hatten wir nicht Chris Geburtstag

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