„The Phoenician Scheme“ Review – Kleine Bewegungen im ewig Gleichen

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Es gab eine Zeit vor ungefähr zehn Jahren nach dem Erscheinen von “The Grand Budapest Hotel”, da war Wes Anderson wahrscheinlich einer der angesagtesten Regisseure des Planeten. Ich kann mich noch daran erinnern, als ich angefangen habe zu studieren und er von jedem zweiten Kommilitonen der Lieblingsregisseur zu sein schien. Er war jemand, der junge Menschen mit seinem einzigartigen Stil für den Film begeisterte. Ein Eingangspunkt in die Cinephilie wie Quentin Tarantino oder David Lynch. Seitdem ist einiges an Zeit vergangen, die Welt hat sich weitergedreht, das Kino hat sich weiterentwickelt und Wes Anderson hat natürlich weiter Filme gedreht. Er war fleißig und sein Name ist mittlerweile Synonym geworden mit einem ganz bestimmten Stil des Filmemachens, den man niemandem mehr erklären muss. Doch seit seinem großen Meisterwerk scheint sich Wes Anderson ein wenig festgefahren zu haben. Sein filmischer Stil ist mittlerweile unglaublich ausdefiniert und dennoch oder vielleicht gerade deshalb bleibt für ihn in letzter Zeit der große Erfolg immer mehr aus. Seine Filme werden wahrgenommen und breit rezipiert, aber so wirklich begeistert war schon lange niemand mehr von seinem Kino. Auch in der Awards Welt treffen sie kaum noch auf Resonanz. 

Benicio Del Toro als Zsa-Zsa Korda in einer Badewanne | Bild: Courtesy of TPS Productions/Focus Features © 2025 All Rights Reserved.

Nun ist er im Wettbewerb von Cannes wieder mit einem neuen Film vertreten. Wohin bewegt er sich mit “The Phoenician Scheme”? Regt sich wieder was im Werk von Wes Anderson? Man darf zunächst vermelden, dass sich Anderson mit seinem neuen Film immerhin wieder in die Welt der kohärenten Geschichten bewegt. Zuletzt hat er ja mit “Asteroid City” und “The French Dispatch” eher episodische Werke vorgelegt, bei denen trotz all dem inszenatorischen Popanz und den unglaublich großen starbesetzten Casts vor allem ein erzählerischer Kern fehlte. Auch “The Phoenician Scheme” scheint vor lauter Stars wieder aus allen Nähten zu platzen. Doch diesmal steht die Figur von Benicio del Toro klar im Mittelpunkt. Er spielt Zsa-zsa Korta, einen reichen und skrupellosen Unternehmer, den die halbe Welt tot sehen will. Ständig gibt es Anschläge auf sein Leben und es läuft eine Art Geheimoperation, um sein großes Lebensprojekt, was ihn und seine Partner steinreich machen würde, zu verhindern. Als er davon Wind bekommt, macht er sich auf zu seinen verschiedenen Geschäftspartnern, um sein großes Vorhaben zu retten. Begleitet wird er dabei von Michael Ceras Figur Bjorn Lund und Mia Threapleton, die ein Klostermädchen spielt und so etwas wie eine Tochterfigur für unseren unsympathischen Protagonisten ist. Threapleton ist wahrscheinlich die Entdeckung des Films und auch Michael Cera tut dem Film sehr gut. Es ist erzählerisch aber weiterhin alles in sehr klare Kapitel und Stationen geordnet, die die Hauptfiguren abarbeiten und bei denen uns dann  auf die diversen Gaststars treffen: Riz Ahmed, Bryan Cranston, Tom Hanks, Scarlett Johansson, Bill Murray, Willem Dafoe, Charlotte Gainsbourg, um nur ein paar zu nennen. Und so verläuft alles doch wieder in recht gewohnten Bahnen. Die Verschwörungsgeschichte rund um Benicio del Toros skrupellosen Mogul ist in ihrer Komplexität eigentlich nicht der Rede wert. Es ist eher ein Rahmen um die Figuren in Bewegung zu setzen und in die verschiedenen Sets und Situationen zu bekommen, in denen sich Wes Anderson als Regisseur dann wieder austoben kann. Entlang dieses Road-Trips erzählt er zudem noch eine Vater-Tochter-Geschichte, was zunächst eine gute Idee ist, da genau dieser menschliche Aspekt etwas ist, was den Filmen Andersons zuletzt immer wieder fehlte. Jedoch bewegt sich das alles auf relativ einfachem Niveau und erreicht nie irgendeine Tiefe, die es aber unbedingt bräuchte, um einen irgendwie zu berühren. 

Der größte Lichtblick des Films: Mia Threapleton | Bild: Courtesy of TPS Productions/Focus Features © 2025 All Rights Reserved.

Und so plagen auch “The Phoenician Scheme” dieselben Probleme, wie auch schon Wes Andersons letzte Filme. Für eine Zeit lang trug sich der andersonsche Stil von selbst. Seine Filme versprechen eine Art von visuellem Spektakel, dessen Reiz sich nicht aus dem typischen Hollywood-Bombast ergibt, wie es beispielsweise bei Christopher Nolan der Fall ist, sondern mit perfekt arrangierten Bildern lockt. Diese ganz genau konstruierten Bildkader, die Symmetrie, die knalligen Farben, die genauen Kamerabewegungen und auch das gestellte Schauspiel unterwerfen sich alle dem Formgedanken des Regisseurs. Wes Andersons Welten sind perfekte Filmwelten, weil sie nur innerhalb dieses formalen Kosmos existieren können. Doch seit einiger Zeit tritt Wes Anderson auf der Stelle. Seine Form scheint an einem Zenit angekommen zu sein. Wenn man heute in “The Phoenician Scheme” geht, weiß man genau, was einen erwartet und man bekommt auch genau das. Es gibt keine Überraschungen und auch keine Steigerungen mehr im Werk von Wes Anderson, zumindest visuell. Und das wäre auch kein Problem, wenn der Film auf anderen Ebenen glänzen könnte. Doch gerade die inszenatorische Perfektion legt jetzt die großen Schwächen der Filme offen. Wes Andersons Bilder sind zwar visuell dicht, aber emotional leer. Es entwickelt sich keine Bindung zu den Figuren, es gibt keine Suspense in der Story, es ist lediglich ein Abarbeiten von Stationen und Set-Pieces, die einem aber mittlerweile irgendwie schon bekannt vorkommen. Wenn Benicio del Toro anfangs in der Badewanne sitzt, muss man Timothee Chalamet denken, der dasselbe in “The French Dispatch” tat und der ganze helle Wüstenlook erinnert beispielsweise an “Asteroid City”. Der Film wirkt so stellenweise wie ein Selbstzitat. Wes Anderson scheint mitterweile sein eigener Referenzrahmen zu sein. Alles bezieht sich nur noch auf sich selbst und die eigene Form, was dazu führt, dass er beginnt, sich im Kreis zu drehen. Auch wenn man sieht, dass Anderson wieder etwas erzählen möchte, gelingt es ihm nicht, weil er sich immer noch viel zu sehr auf seinen Formalismus versteift. 

Das unterscheidet einen Wes Anderson dann auch von anderen Autorenfilmern, die immer wieder das Gleiche machen, aber dabei trotzdem interessant bleiben. Auch wenn sie filmisch wenig gemein haben, lohnt sich vielleicht der Blick auf einen Regisseur wie Hong Sang-soo. Er dreht im Jahr durchschnittlich zwei Filme, hat also noch einen viel größeren Output als Anderson, und auch sein visueller Stil ist sehr markant und mittlerweile stark ausgefeilt, auch wenn er in seinem Minimalismus nicht weiter entfernt sein könnte. Was seine Filme jedoch auszeichnet, ist ihr emotionaler Kern. Unter der vermeintlich immergleichen Hülle hat Hong Sang-soo fast immer etwas neues über das Leben zu erzählen. Das hält sein Werk interessant und belohnt die Zuschauer emotional. Genau das schafft Wes Anderson seit einiger Zeit jedoch nicht mehr. Und so kann man zwar sagen, dass sich “The Phoenician Scheme” wieder in eine gewisse erzählerische Richtung bewegt, aber es bleibt eine Mikrobewegung. Wie lange sich die eigene Form noch trägt, bis sie endgültig in sich zusammenfällt, bleibt abzuwarten, aber ich hoffe für Wes Anderson, dass er es irgendwie schafft, sich selbst neu zu erfinden, sonst wird er langsam aber sicher zu seiner eigenen Parodie.

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