Warfare: Kein Antikriegsfilm

Nach “Civil War” widmet sich Alex Garland in “Warfare” einmal mehr dem Thema Krieg. Doch während er sich in “Civil War” mit dem fiktionalen Szenario eines Bürgerkriegs in den Vereinigten Staaten beschäftigte, wird es in “Warfare” nun explizit realistisch: es geht um einen Spezialeinsatz der US-Armee während des Irak-Kriegs 2006. Der Film rekonstruiert basierend auf den Erinnerungen der beteiligten Soldaten fast minutiös diesen Einsatz, der tatsächlich stattgefunden hat und ein desaströses Ende nimmt. Diese detailgetreue Realitätsnähe ist die große Stärke des Films und auch der Grund, warum er mancherorts viel Lob erhält und von einigen bereits als einer der besten Antikriegsfilme aller Zeiten gefeiert wird. Jedoch führt genau diese realitätsgetreue Darstellung dazu, dass der Film am Ende als Antikriegsfilm krachend scheitert.

Kit Connor in Warfare | Foto: Murray Close / A24 / Leonine Studios

Allein die Art und Weise, wie der Film den Einsatz rekonstruiert, sich fast jeder Psychologisierung von Figuren verweigert, darauf verzichtet irgendeinem klassischen Erzählbogen zu folgen – anfangs ist er ja sogar fast langweilig – und das alles in brutalster Härte inszeniert, sollte eigentlich jeden angehenden Wehrdienstler von seinem Plan abbringen. Allein der Fakt, dass es reicht, einfach nur nachzuerzählen, was passiert ist, um das Schrecken des Krieges in eindrucksvoller und verstörender Manier auf die Leinwand zu bringen, spricht für sich. Es macht in großen Teilen wirklich keinen Spaß, diesen Film zu schauen und das ist gut so.

In weiten Teilen kommt der Film ohne klassische Heldenfiguren aus: Leute werden einfach zerfetzt, schreien vor Schmerz oder sind einfach überfordert mit der Situation. Was genau die da überhaupt tun sollen, wird eh zu keinem Zeitpunkt klar. Man könnte also fast denken, dass das hier ein richtiger Antikriegsfilm ist. Jedoch reißt der Film sehr viel von dem, was er sich aufgebaut hat, am Ende wieder rein. Es wirkt alles total sinnlos und doch zieht der Film ganz am Ende so eine amerikanische Pathos-Ebene ein. Er kann es sich nicht verkneifen, die echten Soldaten zu zeigen, den Überlebenden im Rollstuhl zu feiern und allgemein diesen Kameradschaftsgedanken doch wieder auf ein Podest zu heben. Der Film ist auch einem der überlebenden Soldaten gewidmet, er wird damit heroisiert. Und auch wenn der Akt des Heldentums im bloßen Überleben liegt, verliert der Film damit eine notwendige Bedingung für einen Antikriegsfilm. Wenn der Soldat zum Helden wird, dann ist es ein Film, der das soldatische überhöht und damit auch den Krieg verherrlicht. 

Das ist ein Umstand, der im Diskurs um den Antikriegsfilm oft außen-vor gelassen wird. Meist dreht es sich dabei nämlich darum, inwiefern ein Film die Bilder des Krieges für seinen eigenen Unterhaltungswert ausbeutet. Die Argumentation geht so: Wer sich an Explosionen und Zerstörung erfreut, kann kein Statement gegen den Krieg machen. Das ist auf zweierlei Art und Weise etwas zu kurz gedacht, da es ja Filme wie “Apocalypse Now” gibt, die gemeinhin als Antikriegsfilme bezeichnet werden, aber dennoch unbestreitbar unterhaltsame Kampfsequenzen inszenieren. Einen Vorwurf, den man an “Warfare” jedoch nicht richten kann. Der Krieg ist hier wirklich nicht unterhaltsam. Jedoch gibt es aber auch Kriegsfilme, die komplett auf die Inszenierung von Kampfhandlungen verzichten und sich dennoch klar für den Krieg aussprechen. Man denke da nur an die diversen Heimatfront-Propagandafilme, die während des Zweiten Weltkriegs von allen beteiligten Kriegsparteien produziert wurden. Was diese Filme zu Kriegsfilmen macht, ist die Art und Weise, wie sie mit den Soldaten umgehen. Wer hier in den Krieg zieht, kämpft ehrenvoll für sein Land und gegen das Böse. Egal wie schrecklich und brutal der Krieg sein mag, der mutige Soldat zeichnet sich dadurch aus, dass er dieses Schrecken durchsteht und sei es nur durch das bloße Überleben. In den Krieg zu ziehen hat in diesen Filmen etwas Ehrenvolles und damit wird der Krieg für sie auch in letzter Konsequenz zu etwas Ehrenvollem. In der Verweigerung sich von den Soldaten zu distanzieren, gerät “Warfare” in genau diese Fahrwasser.

Die US-Army Kameraden in Warfare | Foto: Murray Close / A24 / Leonine Studios

Auch wenn der Film sich durch den Titel „Warfare“ etwas universales gibt und es vielleicht auch teilweise einlöst, denn immerhin erfahren wir schon ganz gut, wie moderne Kriegsführung aussieht, lässt er sich nicht von seinem spezifischen Schauplatz und Kontext lösen. Den Kontext gibt er uns zwar nicht direkt, aber er ist natürlich in unseren Köpfen. Das hängt wiederum auch ganz stark damit zusammen, dass sich hier so sklavisch an die Erinnerungen der Soldaten und damit das tatsächliche Geschehen gehalten wird. Der Film spielt im Irak-Krieg, der, wie man weiß, durch eine verheerende Lüge begründet wurde. Es ist ein imperialistischer Krieg, in dem die USA invasierende Streitmacht ist und aus deren Perspektive der Film erzählt. Und gerade dadurch, dass er sich so sehr an die Erinnerungen der Soldaten hängt, fehlt ihm auch komplett die kritische Distanz, die es gebraucht hätte, um hieraus einen Film mit wirklich mutiger Aussage zu machen. Einen Film, der uns nicht nur die unglaubliche Brutalität des Krieges vorführt, sondern auch kritisch mit den Akteuren ins Gericht geht. Aber am Ende soll man doch wieder die mutigen Soldaten feiern und womöglich über ihr Trauma weinen und dabei total vergessen, welch grausames Schicksal sie über die einheimische Bevölkerung gebracht haben. Aber warum sollte ich auf ihrer Seite sein? Sie haben sich doch sogar selbst zu diesem Dienst verpflichtet und fallen in ein fremdes Land ein. Es ist schade, dass der Film diese kritische Distanz nicht wahren kann und dass er uns am Ende doch daran hindert, zu hinterfragen, gerade weil so viele Ansätze dafür da sind und er sich wahrscheinlich für die ersten zwei Drittel seiner Laufzeit genau in die richtige Richtung bewegt. Wo alles schrecklich und sinnlos ist, wo es keine Helden gibt. 

Die allererste Szene des Films ist in diesem Kontext wahrscheinlich auch direkt die stärkste. Wir sehen, wie sich eine große Gruppe von Soldaten an einem Musikvideo zum Popsong “Call On Me” aufgeilt, in dem knapp bekleidete Frauen tanzen. Das kreiert einen unheimlich starken Moment, der uns die Banalität des Männlichkeits- und Kameradschaftsgedanken dieser Army-Jungs vorführt, die der Film daraufhin langsam auseinandernimmt. Man kann eigentlich nur über sie und ihre lächerliche Männlichkeit lachen. Wirklich eindrucksvoll wäre es gewesen, wenn der Film das zum Ende nochmal aufgreift und uns vielleicht wirklich versucht, vor den Kopf zu stoßen. Er hätte sich trauen müssen, sich damit weg von der vermeintlichen Realität zu bewegen und er hätte beginnen müssen zu fiktionalisieren. Er hätte uns distanzieren müssen von diesen Soldaten, stattdessen macht er das genaue Gegenteil. Er will, dass wir mit ihnen sympathisieren und genau damit scheitert er dann an seinem Anspruch, ein Antikriegsfilm zu sein.

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