Berlinale Vorschau: Special, Forum, Retrospektive und Generation

Weiter geht es mit unserer Vorschau auf die 74. Berlinale

Wir schauen weiterhin auf potenzielle Highlights der Berlinale. Gestern ging es um den Wettbewerb, Encounters und Panorama, heute untersuchen wir die Nebensektionen Forum, Retrospektive Special und Generation.

Forum

All the long Nights

© Maiko Seo/2024 All the Long Nights Film Partners

Nach einigen der schönsten Filme der Berlinale muss man graben. Oft werden sie versteckt in den Nebensektionen, hinter unscheinbaren Stills und einfach gehaltenen Texten. Besonders im Forum lauern Entdeckungen, die viele Besucher*innen verpassen oder nicht wahrnehmen. All the long Nights (2024) ist das diesjährige Juwel, das ich hoffe im Forum ausgraben zu können. Regisseur Shô Miyake konnte 2022 mit seinem Film Small, Slow but Steady im Encounters Programm schon überzeugen und wurde dieses Jahr „nur“ fürs Forum eingeladen. Seine ruhige und zärtliche Erzählweise bietet einen schönen Gegenpunkt zum üblichen Festivalstress, und zeichnen schön dieses gegenwärtige japanische Kino ab, dass viele kleine, schöne Filme produziert, von denen auch immer wieder welche in Berlin landen. All the long Nights wirkt sehr schön unaufgeregt, ohne zu hohe Ambitionen, vielleicht sogar ein Hangout-Film. Perfekt für den letzten Festivaltag. (Marc)

Der unsichtbare Zoo

© Pantera Film GmbH

Es geht tierisch weiter mit Der unsichtbare Zoo. Ein dreistündiger Dokumentarfilm über den Zoo in Zürich. Der Film scheint sich mit der Institution des Zürcher Zoos im Ganzen auseinanderzusetzen und hatte damit direkt meine Aufmerksamkeit erlangt, da mich das an die Filme von Frederick Wiseman erinnert, die ich sehr schätze. Ob das dann wirklich so ist, werden wir sehen. Das Forum finde ich in diesem Jahr besonders spannend, da es jetzt mit Barbara Wurm eine neue Leitung hat. Auf den ersten Blick wirkt es alles ein wenig zugänglicher, was nicht schlecht sein muss, da vor allem die abstrakteren Forumsbeiträge auch immer ziemlich schwankend in ihrer Qualität waren. Ich bin da in diesem Jahr guter Dinge, dass wir ein paar sehr gute Filme zu Gesicht bekommen. (Yannick)

Retrospektive

Herzsprung und Banale Tage

© DEFA-Stiftung / Michael Schaufert

Die diesjährige Retrospektive musste ganz schön leiden unter den Sparmaßnahmen der Berlinale. Wir können uns fast glücklich schätzen, dass es sie überhaupt noch gibt. So ist das Programm der Retrospektive als Erkundung des Archivs der Deutschen Kinemathek ein kostengünstiger Kompromiss. Wie viel Neues sich auf der Erkundung wirklich finden lässt, ist fraglich. Ich habe aber trotzdem zwei Filme gefunden, die mich sehr interessieren. Herzsprung und Banale Tage sind zwei sehr späte DEFA-Filme, die nach der Wende entstanden sind in der kurzen Zeit, in der das Studio noch existierte, bevor es von Schlöndorff und Co. abgewickelt wurde. Interessant wird, wie sich die Filme formal präsentieren und wie die durch die Wende neu gewonnen künstlerischen Freiheiten eingesetzt werden und welches Bild sie gleichzeitig von dieser Zeit vermitteln. Außerdem sind das zwei Filme, die bisher selbst im Kanon von „alternativer“ deutscher Filmgeschichtsschreibung, in der das DEFA-Kino eh wenig Patz hat, kaum aufgetaucht sind, was sie umso spannender macht. Beide Filme sind sonst so gut wie nirgendwo zu sehen, weshalb ich sie auf der Berlinale unbedingt erwischen will. (Yannick)

Jesus – der Film

© Deutsche Kinemathek / Brynntrup

Jesus – Der Film ist ein wahnwitziges Projekt, dass heute komplett vergessen scheint. Der Film wurde 1986 im Forum prämiert, wanderte eine Weile durch die Bundesrepublik, und wurde erst 2014 restauriert und digitalisiert. Auf Super-8 und in schwarz-weiß gedreht handelt es sich hierbei um einen Epidsodenfilm, bei dem meherere Regisseur*innen ein kurzes Segment der Jesusgeschichte inszenieren, ohne die vorigen oder folgenden Segmente gesehen zu haben. Der Film entspringt der gleichen queeren, Punk-Subkultur, in der bspw. auch Jörg Buttgereit (er ist an Jesus – Der Film ebenfalls beteiligt) und Christoph Schlingensief aktiv waren. Dietrich Kuhlbrodt, ein weiterer Kollaborateur des Jesusfilms, taucht auch an anderer Stelle in der Retrospektive auf: In Schlingensiefs eigenem Film, Das deutsche Kettensägenmassaker (1990). Die Filme vereint eine inszenatorische und politische Radikalität, die heute im deutschen Kino schmerzlich vermisst wird. Mit einem (oder beiden) Augen zwinkernd wird institutionelle Kritik and der Wiedervereinigung und Kirche in einen Mantel von Avantgarde- und Trash-Ästhetiken verpackt. Das kann man mögen oder nicht, aber gesehen haben sollte man es auf jeden Fall. (Marc)

Special

Cuckoo

© NEON

Das Special ist die Sektion, bei der man sich am ehesten fragt, wie die Filme dort landen. Wären sie gut genug für den Wettbewerb oder Encounters, würden sie dort laufen. Da es sich zumeist aber doch um große Namen handelt, kann man sie nicht ins Panorama oder Forum schieben, also kommen sie ins Special. Die Berlinale hat keine Sektion für Filme wie Cuckoo, die in einer gesonderten Midnight- oder Genrefilm Spalte gut aufgehoben wären. Stattdessen werden solche Kandidaten vereinzelt hier und dort untergebracht. Wir können fast von Glück sprechen, dass Veronika Franz‘ neuer Film Des Teufels Bad überhaupt im Wettbewerb läuft. Cuckoo könnte die Art von Spaß sein, die Talk to Me letztes Jahr bereitet hat: Ein unterhaltsamer Horror-Thriller, Gegenprogramm zu den doch oft steifen Dramen. Ein bisschen billig, ein bisschen Teenie, aber vor allem spannend darf er sein, Hauptsache das Adrenalin kommt in Wallung. Mit Hunter Schafer ist auch ein Star dabei, der ein ganz anderes Publikum anspricht, als viele andere Filme im Special. Dort läuft Cuckoo neben Filmen wie der Abel Ferrara Ukraine-Doku, dem Adam Sandler Netflix-Film und dem 14-stündigen documenta-Mammut. Wie auch immer das zu verstehen ist. Für dieses Jahr ist es aber mein ersehntester Special Film aus dieser sehr heterogenen Sektion. (Marc)

Generation

Quell’estate con Irène

Generation ist so eine Sektion, die ich meist sträflich vernachlässige, was wohl daran liegt, dass sich die Filme im Programm an ein vermeintlich jüngeres Publikum richten. Dabei finden sich im Generation Programm immer wieder kleine Hits, wie Sommer 1993 (2017) von Carla Simon, die ja bekanntermaßen vor zwei Jahren den Goldenen Bären geholt hat oder The Quiet Girl (2023) von Colm Bairéad, der dann für einen Oscar nominiert wurde. Deshalb habe ich mir für dieses Jahr vorgenommen auch mal einen Blick in Generation zu werfen und mir da Quell’estate con Irène herausgesucht. Die Beschreibung klingt nach einem ganz wunderbaren Sommerfilm. Der Film handelt wohl von zwei 17-jährigen Mädchen, die einen Sommer in Sizilien verbringen. Klasse! Das würde ich auch gerne mal wieder! Im Cast findet sich außerdem Noée Abita, die wir aus Passagiere der Nacht kennen. Was soll da schon schiefgehen? (Yannick)

Soweit erstmal unsere Einschätzung vorab, wir melden und während des Festivals mal und danach sowieso. Wir wünschen viel Spaß bei der diesjährigen Berlinale!

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