Berlinale 2024 Geheimtipps: Wettbewerb, Encounters und Panorama

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Am Donnerstag startet die 74. Berlinale. Wir schauen auf unsere Highlights aus dem Wettbewerb, Encounters und Panorama.

Es ist mal wieder soweit, die Berlinale feiert am nächsten Donnerstag ihre große Eröffnung und erleuchtet den Potsdamer Platz und die Kinos der ganzen Stadt in bärigem Glanz. Die letzte Edition unter der Festivalleitung von Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian verspricht eine Auswahl an hochspannenden und sehenswerten Filmen.
Bevor am Montag der Ticketverkauf startet, wagen wir in den kommenden Tagen einen kleinen Blick in die Glaskugel und stellen unsere Highlights aus dem diesjährigen Programm vor. Was wird gut, was hat man eventuell noch nicht auf dem Schirm und wie blicken wir auf die einzelnen Sektionen? Heute schauen wir auf Wettbewerb, Encounters und Panorama.

Wettbewerb

Langue Étrangère

© Les Films de Pierre

Der Wettbewerb ist wohl die Sektion, bei der man vorher am ehesten weiß, was einen erwartet. Die Namen sind bekannt und die Filme meist konventionell. Das sorgt oft genug auch für schreckliche Ausfälle. Dennoch ist es dann doch Jahr für Jahr so, dass sich in meiner kleinen Festivalplanung immer wieder viele Filme aus dem Wettbewerb tummeln. So auch in diesem Jahr. Neben dem Hong Sang-Soo Film, dem neuen Film von Mati Diop, Dahomey (2024) und dem neuen Assayas hat es mir im diesjährigen Programm vor allem Langue Étrangère von Claire Burger angetan. Warum das so ist, lässt sich wohl nur als grobes Gefühl beschreiben. Ein französischer Film, der von einer Freundschaft zwischen zwei Teenagerinnen handelt, ein toller Cast mit Nina Hoss und Chiara Mastroianni – what’s not to like? Am Drehbuch ist außerdem mit Léa Mysius eine der spannendsten Stimmen im französischen Kino derzeit beteiligt. Von Claire Burger kenne ich zwar auch noch keinen anderen Film, aber das war 2022 so ähnlich als ich Mikhaël Hers Passagiere der Nacht (2022) gesehen hatte, der mich dann total umgehauen hatte und irgendwie erinnert mich Langue Étrangère an diesen Film. Wenn der Film es hinbekommt eine schöne Atmosphäre zu kreieren und keinen Kitsch veranstaltet, kann das eigentlich nur gut werden, oder? (Yannick)

A Traveler’s Needs

© 2024 Jeonwonsa Film Co.

Der neueste Film von Hong Sang-Soo ist auch seine dritte Zusammenarbeit mit Isabelle Huppert. Nach In Another Country (2012) und Claire’s Camera (2017) erscheint dieses Jahr A Travelers Needs (2024). Hong Sang-Soo sollte den meisten Besucher*innen der Berlinale ein Begriff sein, es ist der zehnte Film von ihm, der in den letzten 17 Jahren auf diesem Festival läuft. A Traveler’s Needs sieht erneut nach einem Hong Sang-Soo Film aus, der überzeugen wird. Sein Feingespür für kleine Gesten und zwischenmenschliche Beziehungen, die sich in seiner reduzierten Inszenierung vollständig entfalten dürfen, sind unübertroffen. Mit Isabelle Huppert 90 Minuten einen Sommer in Korea zu verbringen, klingt nach genau der Auszeit, die wir in diesen grauen Februartagen brauchen. Hongs Filme funktionieren aber nicht nur für sich, sondern auch im Kontext seines Gesamtwerks bilden seine Filme einen enormen Dialog, ein Geflecht, in dem sich zwischen einzelnen Werken etwas größeres herauskristallisiert. Je mehr Hong Sang-Soo man gesehen hat, desto mehr gewinnt man an jedem weiteren, den man sieht. Es bleibt spannend, welchen Platz dieser dritte Teil der inoffiziellen Hong-Huppert-Trilogie belegt. Mein größtes Highlight im Wettbewerb und früher Favorit für den goldenen Bären, weil Hong ihn langsam echt mal verdient hätte. (Marc)

Panorama

Diaries from Lebanon

© Abbout Productions / GoGoGo Films

Als Deutscher mit libanesischen Wurzeln und einem engeren Interesse am zeitgenössischen arabischen Kino suche ich mir in den Programmen der Berlinale jährlich die zwei oder drei arabischen Filme zusammen, die es in eine der (meist Neben-) Sektionen schaffen. Diaries of Lebanon (2024) von Myriam EL Hajj ist in diesem Jahr im Panorama vertreten und trifft mit der behandelten Thematik einen für mich wunden Punkt. Die politischen Unruhen im Libanon musste ich in den letzten Jahren aus Deutschland wie durch eine milchige Scheibe mitverfolgen. So fern von meiner Familie vor Ort zu sein und sie nicht besuchen zu können, aber trotzdem das Bedürfnis zu haben, die Lage und Stimmung im Land nachvollziehen zu können, fiel mir schwierig. Umso mehr klammere ich mich an die Filme, die dieses Gefühl vermitteln können. Diaries of Lebanon begleitet verschiedene Protagonist*innen über vier Jahre hinweg, durch die für das Land wohl turbulenteste Zeit seit 2006. Die Entwicklungen von 2018 bis 2022, durch die globale Pandemie, die verheerende Explosion im Hafen von Beirut, die schwere Wirtschaftskrise und die resultierende Inflation, die enormen Proteste und die „Revolution“ verspricht Diaries of Lebanon die Zuschauer*innen zu begleiten. Ich erhoffe mir persönlich diese letzten Jahre mit und durch diesen Film für mich neu fassen zu können und einen Weg zu finden, auch zukünftig mit solchen Nachrichten umgehen zu können. Diaries of Lebanon ist jetzt schon der für mich vielleicht wichtigste Film auf diesem Festival. (Marc)

I Saw the TV Glow

© A24

Das Panorama war vor einigen Jahren noch die Sektion, in der ich mich am meisten aufgehalten habe. So schön divers war das Programm dort. Auch dieses Jahr gibt es dort wieder viel, doch irgendwie reizt mich diesmal nur wenig. Liegt es an der Auswahl der Filme oder hat sich mein Filmgeschmack einfach verändert? Wahrscheinlich ist es ein Mix aus beidem, aber wenn eine Sektion tatsächlich mit einer Paramount+ Serie aufgefüllt wird (Zeit Verbrechen), sollte das zumindest einmal problematisiert werden. Davon abgesehen, zeichnet sich das Panorama auch immer durch die Übernahme einer Reihe von Sundance-Titeln aus. Deshalb habe ich mich auch für I Saw The TV Glow als Highlight aus dieser Sektion entschieden. Der hat ja in Sundance schon ziemlich die Runde gemacht und ich erhoffe mir zumindest ein kleines visuelles Erlebnis, so klingt es zumindest in der Beschreibung und die Stroboskopwarnung im Programm lässt in dieser Hinsicht auch hoffen. Ebenfalls mit Epilepsiewarnung ausgestattet ist Bruce LaBruces Pasolini Neuinterpretation The Visitor. Wir sind gespannt wie radikal er den Stoff von Teorema neu inszeniert. Ich denke man kann davon ausgehen, dass es um einiges expliziter wird. (Yannick)

Encounters

Favoriten

© Ruth Beckermann Filmproduktion

Wer zum zweiten Mal einen Film in Encounters hat, den könnte man schon fast als Stammgast in dieser immer noch jungen Sektion (und wer weiß, ob Tricia Tuttle im nächsten Jahr mit ihr noch was anfangen kann) sehen, oder? Ruth Beckermann hat es auf jeden Fall geschafft und ist nach ihrem sehr interessanten Mutzenbacher (2022) zurück in Encounters mit ihrem neuen Film Favoriten. Es geht wohl um eine Schulklasse im gleichnamigen Wiener Bezirk. Das weckt Erinnerungen an einen anderen Berlinale-Klassiker aus den letzten Jahren: Herr Bachmann und seine Klasse (2021) der ja auch echt großartig war, aber im Wettbewerb lief. Ist das vielleicht ein Grund, warum es Beckermann wieder „nur“ in Encounters geschafft hat? Es bleibt abzuwarten, wie sich der Film von Herrn Bachmann abgrenzt und worauf Ruth Beckermann ihren Fokus legt. Der Filmtitel lässt ja schon vermuten, dass das Umfeld eine größere Rolle spielen wird. Ich kenne mich in Wien noch nicht so gut aus, habe mir aber mal sagen lassen, dass Favoriten als sowas wie der „Problembezirk“ bezeichnet wird. Ich bin gespannt, was Ruth Beckermann dort findet. Das Poster ist schonmal super. (Yannick)

You Burn Me

© Películas mirando el techo

You Burn Me ist mit Abstand der kürzeste Film im Encounters-Programm, aber gleichzeitig auch der, der es mir sofort am meisten angetan hat. Eine Buchadaption (und -diskussion?), die auf 16mm am Meer gedreht wurde und deren Stills eine derart umwerfende Ästhetik haben – das muss ich sehen. Die Bilder, die wir von diesem Film bisher zu sehen bekommen sprechen etwas in mir an, das nur ganz besondere Filme sonst ansprechen: Sie erinnern mich etwas an Eric Rohmer’s Sammlerin (1967) oder auch Angela Schanelecs Music (2023) und Lois Patiños Samsara (2023), die beide bei der letzten Berlinale liefen. 16mm ist sowieso das beste Format, um den Sommer und den Sonnenschein zu filmen. Ich bin ehrlich der Überzeugung, dass für diesen Zweck die Kamera erfunden wurde und so wie es aussieht, ist Regisseur Matías Piñeiro da ganz meiner Meinung. Ich bin bereit, mich von diesem Film verbrennen zu lassen. (Marc)

Die Berlinale findet dieses Jahr vom 15. bis 25. Februar statt, Tickets gehen ab dem 12. Februar in den Vorverkauf.

Eine Antwort zu „Berlinale 2024 Geheimtipps: Wettbewerb, Encounters und Panorama”.

  1. Avatar von Andrea Fritz
    Andrea Fritz

    Das macht Appetit auf Berlinale!

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